Herr Dr. Goedereis, welche Themen werden aktuell in der Krankenhauspolitik diskutiert?
Zurzeit gibt es eine Menge Themen, die die Krankenhäuser bewegen - sei es durch politische Entscheidungen und Gesetzgebungsverfahren, sei es durch höchstrichterliche Urteile oder sei es auch durch die überbordende Bürokratisierung und Kontrollen bspw. durch den MDK. Vieles davon raubt leider viel Zeit für die eigentliche Patientenversorgung.
Ein zentrales politisches Themenfeld rankt sich momentan zweifelsfrei um die Bemühungen, die Rahmenbedingungen in der Pflege zu verbessern.
Die Idee, neue Stellen in der Pflege vollständig zu finanzieren bzw. die tariflichen Steigerungen in Gänze zu refinanzieren, ist zweifelsfrei richtig und gut. Man wird allerdings sehen müssen, was letztlich auch finanziell bei den Krankenhäusern ankommt, wenn bspw. andererseits der sogenannte Pflegezuschlag zumindest in Teilen wieder gestrichen wird. Außerdem wird dann die Frage zu stellen sein, warum nicht auch die tariflichen Steigerungen im ärztlichen Dienst und bei anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vollständig refinanziert werden.
In diesem Zusammenhang hat die Ausgliederung der Personalkosten für die Pflege aus dem DRG-System auf den ersten Blick vielleicht einen gewissen Charme. Wenn man aber mal genau bedenkt, wie und mit welchen Konsequenzen dies zu bewerkstelligen wäre, gibt es eine Menge Fragen, z.B. nach welchem Schlüssel diese Kosten den Krankenkassen in Rechnung gestellt werden - über die Pflege- bzw. Berechnungstage? Was passiert dann künftig mit den weiteren Personalkosten - werden diese auch ausgegliedert? Kommt es dann zu einer "Rumpf"-DRG für Sach- und Infrastrukturkosten? Hier sind - meines Erachtens - neben vielen handwerklichen Aspekten auch die grundsätzlichen Folgen noch nicht ausreichend in den Blick genommen worden.
Zu den Pflegepersonaluntergrenzen (PPuG) wurden bereits viele Positionen bezogen. Um es erneut klar zu wiederholen: Die kirchlichen Institutionen stehen seit Jahrhunderten für eine exzellente Pflege und natürlich auch Medizin. Und niemand wird etwas gegen verbesserte Rahmenbedingungen in der Pflege haben. Dabei den Realismus aus den Augen zu verlieren und nebenbei noch einen deutlichen Bürokratieschub auszulösen, wird die Situation aber nicht verbessern. Ich vermute, dass insbesondere unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege nach wenigen Monaten erkennen werden, dass die gesetzlichen Maßnahmen zu den PPuG der Pflege im Alltag nicht wirklich helfen werden.
Zu begrüßen ist hingegen jedwede Verbesserung der finanziellen und strukturellen Rahmenbedingungen in der pflegerischen Ausbildung. Hier - wie auch in der Medizin - ist es höchste Zeit, die Ausbildungskapazitäten auszuweiten und einen besseren, verlässlichen Rahmen zu schaffen.
Wie können insbesondere caritative Unternehmen für die Pflege attraktiver werden?
Auf der materiellen Seite, d.h. bei der Vergütung, haben wir im bundesweiten Vergleich sehr gute Rahmenbedingungen. Mit den AVR bezahlen wir nach einem festgelegten Tarifwerk im oberen Korridor. Dass sich das Thema "Stärkung der Pflege" und das Selbstverständnis der Caritas zu ihrer "Kernkompetenz Pflege" in der Tariflandschaft widerspiegeln muss, hat die AcU übrigens bereits im Frühjahr 2017 in ihren Tarifpolitischen Zielen für die aktuelle Legislaturperiode der AK dargelegt (siehe unter www.a-cu.de).
Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und der zunehmenden Digitalisierung sollten die AVR auch innovative Modelle mit ausreichenden Flexibilisierungsspielräumen, z.B. bei der Arbeitszeit, ermöglichen. Die gesetzlichen Vorgaben (zum Pflegeberufegesetz) müssen beobachtet und notwendige Anpassungen rechtzeitig in den AVR berücksichtigt werden.
Schon jetzt haben wir für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den AVR eine Bindung an eine sehr qualifizierte, zusätzliche Altersversorgung, was längst nicht überall der Fall ist. Und wir haben im sogenannten Mantelteil einen sehr verlässlichen Rahmen für unsere Arbeits- bzw. Dienstverhältnisse. Ebenso haben wir nachgewiesenermaßen im konfessionellen Bereich eine insgesamt gute Personalausstattung, auch wenn das nicht heißt, dass auch wir uns nicht noch weiteres Personal wünschen würden.
Neben den materiellen Fragen der Vergütung und Altersversorgung ist den Mitarbeitern wichtig, dass die Dienstpläne und Arbeitszeiten gut planbar und verlässlich sind (Stichwort "Rufen aus dem Frei"). Ebenso ist eine gute Organisation wichtig, so dass möglichst viel Zeit für die eigentliche Pflege und Begleitung der Patienten bleibt. Schließlich geht es auch um die Frage von familienfreundlichen Dienstplanmöglichkeiten, Kinderbetreuung, Möglichkeiten der Betreuung von pflegebedürftigen Angehörigen usw. Auch hier gibt es schon viele Angebote, die aber noch sicherlich ausbaufähig sind. Als kirchliche Träger muss es uns aber insbesondere auch ein Anliegen sein, mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern immer wieder ins Gespräch zu kommen und Angebote zu schaffen, dass Pflege und natürlich ebenso Medizin auch aus einem christlichen Glauben oder Menschenbild heraus sehr sinnstiftend sein können.
Ärzte und Pflegekräfte werden zunehmend im Ausland an- bzw. abgeworben. Ist das eine Lösung für unsere Personalprobleme im Gesundheitswesen?
Bei den Biersdorfer Gesprächen Mitte September wurde z. B. an konkreten Beispielen sehr anschaulich gezeigt, wie Ärzte und Pflegekräfte in zumeist fernen Ländern akquiriert und dann hier integriert werden.
Es wurde aber auch offen dargelegt, welche Schwierigkeiten damit verbunden sind: bürokratische Hemmnisse, sprachliche Barrieren, fachliche Kompetenzen und Erfahrungen sowie die Anerkennung von Qualifikationen bis hin zur kulturellen Integration. Ebenso wurde deutlich, dass es für eine erfolgreiche Umsetzung ein ausgewiesenes Konzept und den bewussten Einsatz nicht unerheblicher Ressourcen braucht, um ausländische Kräfte nicht nur zu finden, sondern auch langfristig zu binden.
Auf Dauer muss aber natürlich die Lösung darin bestehen, dass wir durch mehr Ausbildungsplätze in Medizin und Pflege und attraktive Rahmenbedingungen das Personal im eigenen Land ausbilden und im Beruf halten. In punkto Ausbildung sind übrigens die konfessionellen Krankenhäuser schon jetzt überproportional aktiv.