Ihre Geschichte beginnt im Januar 2020 mit einer einfachen Mandelentzündung. Als sich Frau Romans Gesundheitszustand nach einigen Wochen Krankheit plötzlich drastisch verschlechtert, ruft sie den Rettungsdienst – und wird nur wenige Stunden nach ihrer Ankunft in der Notaufnahme des St. Franziskus-Hospitals in ein künstliches Koma versetzt und beatmet. Diagnose: Schwerster septischer Schock infolge eines Streptokokken-vermittelten sogenannten Toxic-Shock-Syndroms. Der Zustand der Rumänin verschlechtert sich rapide mit schwerem Organversagen von Lunge, Kreislauf und Nieren.
„Eine Sepsis ist eine fehlgesteuerte Immunantwort des Körpers auf eine Infektion mit Krankheitserregern mit einer akuten Fehlfunktion eines oder mehrerer Organe“, erklärt Dr. Stephan Braune, Chefarzt der Klinik für Akut-, Notfall- und Intensivmedizin am Franziskus Hospital, der Frau Roman damals behandelt hat. Die Ursachen sind dabei vielfältig und reichen von einem Atem- oder Harnwegsinfekt bis zu einer infizierten Wunde. Genauso vielfältig können auch die ersten Symptome sein. „Die Sepsis ist häufig ein Chamäleon“, sagt Dr. Braune. „Das macht sie so schwer zu diagnostizieren und lebensgefährlich, insbesondere bei zu spätem Therapiebeginn.“
Silvia-Maria Roman erlebt den schwersten Verlauf dieser tückischen Erkrankung. Während die Ärzte und Pflegekräfte die Entzündung in ihrem Körper bekämpfen, wird sie künstlich am Leben gehalten mit Beatmung, künstlicher Lunge, Kreislaufunterstützung und Dialyse. Ihre Gefäße können Flüssigkeit nicht mehr halten und Wasser drückt sich ins Gewebe. Die dadurch entstehenden Blasen auf der Haut werden zu großen Wunden – verteilt über den ganzen Körper. Nach drei Wochen wird sie aus dem Koma geholt, weitere Wochen Behandlung auf der Intensivstation folgen.
„Als ich langsam wieder zu Bewusstsein kam, wusste ich nicht, was mit mir geschehen war“, erinnert sich Silvia-Maria Roman. „Ich konnte mich nicht bewegen und mein ganzer Körper schmerzte.“ Zur Behandlung ihrer vielen Hautwunden holt sich das Ärzteteam Unterstützung von Dr. Jan Dirk Esters, Chefarzt der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie am St. Marien-Hospital Lüdinghausen. Hier erhält Frau Roman später in einem längeren stationären Aufenthalt mehrere Hauttransplantationen. Nach vielen Wochen anschließender Reha wird die Erzieherin im August 2020 endlich nach Hause entlassen.
Auch heute, vier Jahre nach der Sepsis, kämpft Frau Roman noch mit den Folgen. „Ich ermüde sehr schnell, meine Narben am ganzen Körper schmerzen noch immer und Sehnenverkürzungen in den Händen und Füßen erschweren die Bewegung“, erzählt sie. Viele Medikamente konnte sie schon absetzen, auf einige ist sie noch immer angewiesen. Über den Ausgang ihrer Erkrankung ist sie trotzdem erleichtert: „Mein Leben wurde gerettet, meine Organe arbeiten, meine Nieren sind wieder voll funktionsfähig.“ Keine Selbstverständlichkeit nach einer schweren Sepsis.
„Obwohl die Sepsis die dritthäufigste Todesursache in Deutschland ist, erfährt sie in der Öffentlichkeit nicht die notwendige Beachtung,“ sagt Dr. Braune. Die Sterblichkeit ist unverändert hoch, dabei wären viele Todesfälle vermeidbar. „Mit der Erzählung von Frau Romans Krankengeschichte möchten wir Aufmerksamkeit auf das Thema Sepsis lenken und zu Wachsamkeit aufrufen. Bei einer akuten Verschlechterung des Allgemeinzustandes mit oder ohne Fieber und einer akuten Verschlechterung von Atmung, Blutdruck oder anderen Organfunktionen sollte stets eine ärztliche Vorstellung erfolgen.“