Entscheidung für das Leben ermöglichen
Wenige Wochen vor der zweiten Lesung zur Regulierung der Suizidassistenz im Deutschen Bundestag nahm er das Gespräch mit dem multiprofessionellen Team der Palliativstation zum Anlass, an Politikerinnen und Politiker zu appellieren, sich für den Ausbau von palliativmedizinischen Angeboten einzusetzen. Dieser sei dringend erforderlich, „damit sich Menschen für das Leben entscheiden können“, die sonst Angst hätten in ihren Schmerzen unterzugehen. Palliativmedizin habe eine wichtige suizidpräventive Wirkung und diene so dem vom Bundesverfassungsgericht gebotenen Lebensschutz. Der von dem Herz-Jesu-Krankenhaus Hiltrup auf den Weg gebrachte und nun kurz vor der Umsetzung stehende Neubau der Palliativstation sei ein wichtiges und richtiges Signal.
"An der Hand eines Mitmenschen sterben - nicht durch dessen Hand"
„Nach christlicher Auffassung sollen Menschen an der Hand anderer Menschen sterben und nicht durch die Hand anderer Menschen“, betonte der Bischof. Palliative Versorgung und hospizliche Begleitung würden „einen wertvollen, nicht hoch genug einzuschätzenden Dienst an der Menschlichkeit in unserer Gesellschaft“ leisten. Bischof Genn dankte Clasen, der 2007 in unserem Krankenhaus die erste Palliativstation in Münster überhaupt gegründet hatte, seinem Nachfolger Dirks und dem gesamten Team für einen „großartigen, menschenfreundlichen, das Leben bejahenden“ Dienst: „Sie sind nah bei den Menschen und machen ihnen am Ende ihres Lebens Mut. Sie geben den Angehörigen Wärme und Zuversicht. Mit der palliativen Versorgung und Begleitung ermöglichen Sie ein menschliches Sterben und eröffnen eine Lebensperspektive bis zum Tod. Mit Ihnen möchte ich eine Gesellschaft fördern, in der Menschen in ihrer existenziellen Not nicht allein gelassen werden.“
Eben diesen Grundsatz verdeutlichte Dr. Nils Brüggemann, Vorstandsvorsitzender der St.-Franziskus-Stiftung Münster, zu der auch das Herz-Jesu-Krankenhaus gehört. „In unseren Einrichtungen lassen wir niemanden allein, wir kümmern uns, wir zeigen Alternativen auf, wir begleiten jeden – die Patientinnen und Patienten sowie ihre Angehörigen.“ Eine Aufgabe, die das Team der Palliativstation immer wieder herausfordert, schilderten Ärzte, Pflegekräfte, Therapeuten und Seelsorgende dem Bischof Situationen aus dem Alltag. Eine Garantie gebe es in der Medizin auch beim Sterben nicht, erklärte Dirks: „Aber wir garantieren, dass wir immer an der Seite der Menschen sind und sie nach bestem Wissen und Gewissen vor Leid bewahren.“
Neubau der Palliativstation nur mit Spendengeldern realisierbar
Auf dem Gebiet der Palliativmedizin habe Deutschland im internationalen Vergleich inzwischen eine Vorreiterrolle eingenommen, gesetzlich hätten schwerstkranke Menschen und Sterbende sogar Anspruch auf eine spezialisierte palliative Versorgung, fasste Clasen zusammen. „Aber wir vermissen, dass diese Zusagen mit Inhalt gefüllt werden“, kritisierte er. „Wenn sich der Staat dazu verpflichtet hat, muss er auch für eine auskömmliche Finanzierung sorgen.“ Die Realität sehe jedoch so aus, dass der Neubau der Palliativstation nur mit Spendengeldern umgesetzt werden könne. „Eine Palliativstation kann unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen nicht wirtschaftlich betrieben werden“, führte auch Brüggemann aus. „Die Franziskus Stiftung investiert – auch dank privater Initiativen – dennoch in diesen Bereich, weil wir dies als katholischer Träger als unseren Auftrag ansehen.“
Mit Blick auf die zweite Lesung der Entwürfe zur Neuregelung der Suizidassistenz wünscht sich das Team der Palliativstation weniger eine juristische Diskussion: „Viel wichtiger ist es zu erkennen, dass eine palliative Behandlung am Lebensende etwas ist, wofür Ressourcen notwendig sind. Würdevolles Sterben sollte uns als Gesellschaft etwas wert sein.“